Sind wir Bauern: Die letzten Generalisten

Bei den österreichischen Konsumenten ist das Bewusstsein für die Landwirtschaft verloren gegangen. Sie kaufen nur nach dem Motto „Ich will alles und das jetzt“. Ein Kommentar von Gerhard Leeb.

Österreich ist auch und ganz besonders „Bäuerinnen- und Bauernland“. Wann dieses Bewusstsein bei den Menschen verschwand, ist nicht genau fest­zulegen. Es hängt aber unmittelbar mit dem von Supermärkten künstlich erzeugten „Ich will alles und das jetzt“ zusammen. Und mit dem Verlust der „Bodenhaftung“ zwischen Mensch und Natur. Die Jahreszeiten sind außer Kraft gesetzt. Man ignoriert die langen Transportwege (z. B. Äpfel aus Brasilien), die massenhafte Verwendung von Chemie (in den Überseeländern) und die Ausbeutung von Arbeitskräften (z. B. Spanien).

Die österreichischen Bäuerinnen und Bauern bilden da eine erfrischende Ausnahme. Sie gehören zu den wenigen, die noch mit und nach der Natur leben. Für sie zählen noch Tag und Nacht und die Jahreszeiten. Sie sind ­aber auch die letzten, die das Leben in seiner ganzen Fülle „erleben“. Von der Besamung einer Kuh, über die Geburt und Aufzucht eines Kalbes, bis hin zur Schlachtung und zum Verkauf des ­Fleisches.

„Das zurückgekehrte Bewusstsein für die Landwirtschaft sollte auch künftig bestehen bleiben“

Das Gleiche gilt für die Qualität der Erde, dem Aussäen der Samen, dem langsamen Reifen des Getreides. Alles dabei braucht seine Zeit und bekommt sie auch. Und dabei hängt immer das Damoklesschwert eines erkrankten oder verstorbenen Tieres, eines Unwetters über ihnen, das alles Geplante zunichte macht.

Bauern sind die letzten „Generalisten“. Eine gute Bäuerin, ein guter Bauer ist Mechaniker, Veterinär, Biologe, Pharmazeut, Landschaftsplaner und -gestalter, Manager und Nahrungsmittelproduzent.

Während der Pandemie ist er überraschenderweise wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft zurückgekehrt. Selbst ­in die Köpfe der „Tag- und Nacht-­Besteller“. Wäre schön, wenn dieses ­neue ­Bewusstsein anhalten würde.

Ich bekomme mein Brot, meine Butter, mein Fleisch, meinen Speck, meine Würste, meine Eier und selbst mein Brennholz im Dorf. Ich sehe, wie man mit den Tieren umgeht und wie aufwändig die Arbeit ist, die für die Herstellung eines Holzscheites notwendig war. Und gratis dazu: Gespräche mit unterschiedlichsten Menschen. Bodenständige ­Psychotherapie vom Feinsten.