Versorgungssicherheit in Österreich: Vernichtende Kritik der Rechnungsprüfer

Ein Rechnungshofbericht deckt schonungslos die Schwächen auf, wenn es um die künftige Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln geht.

Als „Wasser auf die Mühlen“ könnte man den aktuellen Rechnungshofbericht bezeichnen, zumindest aus Sicht des Bauernbunds Niederösterreich. Die Regierung, speziell das Landwirtschaftsministerium, erhielt sogar die Note „mangelhaft“, was die Vorbereitungen für Krisenfälle und die nötigen Maßnahmen betrifft. Insgesamt hatte sich das Landwirtschaftsministerium „nicht optimal vorbereitet“, um die Lebensmittelversorgung, insbesondere in Krisenfällen, sicherzustellen. Die Rechnungsprüfer legten ihren Bericht „Lebensmittel – Versorgungssicherheit“ Ende Juni vor. Geprüft hatten sie den Zeitraum 2015 bis Mai 2022, also bevor Norbert Totschnig das Ruder im Ministerium übernahm. Grundsätzlich fordert der Rechnungshof eine „Verpflichtung, die Auswirkungen allfälliger Krisenszenarien auf die Lebensmittelversorgung zu analysieren und zu bewerten“.

Der Bauernbund NÖ hatte bereits 2020 den gesellschaftlichen Diskurs in seiner Versorgungssicherheitskampagne angestoßen. Bauernbundobmann Stephan Pernkopf und Bauernbunddirektor Paul Nemecek fühlen sich bestätigt, dass nun auch der Rechnungshof einen Versorgungscheck vom Bundeslandwirtschaftsminister Norbert Totschnig fordert.

Zwar räumen die Rechnungsprüfer ein, dass momentan die Versorgungssicherheit in vielen Bereichen gesichert ist. Allerdings können Veränderungen bei einem oder bei mehreren Faktoren können zu Risiken für die Ernährungssicherheit werden, heißt es im Bericht. So bemängelt der Rechnungshof, dass es in Österreich keine umfassende Berichterstattung gibt, indem die künftigen Entwicklungen zur Ernährungssicherheit abgeschätzt werden. Dies ist zum Beispiel in der Schweiz der Fall.

Ein Blackout, der Ausfall der Versorgung mit fossilen Brennstoffen oder ein überregionaler Ernteausfall zählen aus Sicht der Rechnungsprüfer zu den Szenarien, die weitreichende Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in Österreich haben könnten. Doch Österreich ist laut Bericht nicht ausreichend auf überregionale und plötzlich auftretende Schadensereignisse vorbereitet: „Eine aktuelle Risikoanalyse und konkrete Notfallpläne für unterschiedliche Krisenszenarien fehlten. Zudem greift die rechtliche Grundlage für die Lebensmittelversorgung im Krisenfall erst, wenn eine Krise vorliegt.“

Ebenso bemängelt der Bericht, dass es im Krisenfall für die drei zuständigen Ministerien Landwirtschaft, Wirtschaft und Klimaschutz keine verbindlichen Vorgaben für eine ressortübergreifende Abstimmung existiert, um Zielkonflikte von Maßnahmen zu vermeiden. Der Rechnungshof hält eine verbindliche Abstimmung zwischen den Ressorts für enorm wichtig.

In seinem Bericht führt der Rechnungshof weitere kritische Punkte an. Die verfügbaren Grundwasserressourcen drohen von derzeit 5,1 Milliarden auf 3,9 Milliarden Kubikmeter zu schwinden. Für die Landwirtschaft gebe es aber keine ausreichenden Daten über Wasserentnahmen, unter anderem weil Wasserzähler bei landwirtschaftlichen Bewässerungsanlagen mitunter fehlen, monieren die Rechnungsprüfer. So liegen hier nur unvollständige Informationen über den tatsächlichen Wasserbedarf vor. Im Jahr 2018 wurde der Bewilligungszeitraum für Wasserentnahmen für die Bewässerung von maximal zwölf auf maximal 25 Jahre mehr als verdoppelt. Der Bewilligungszeitraum sollte laut Rechnungshof neu bewertet und gegebenenfalls verkürzt werden. Eine Befristung sollte eine bedarfsgerechte Verteilung sicherstellen.

Als weiteren Knackpunkt führt der Bericht den Flächenverbrauch an, den die Regierung nicht in den Griff bekommt. Bereits 2002 setzte sich die damalige Bundesregierung das Ziel, die Flächenversiegelung bis 2010 auf 2,5 Hektar pro Tag, also 9,13 Quadratkilometer pro Jahr, zu senken. Laut Regierungsprogramm 2020–2024 soll dieses Ziel nun bis 2030 erreicht werden. Tatsächlich wurden 2020 noch 42 Quadratkilometer an Fläche verbraucht.

Defizite machten die Rechnungsprüfer auch beim Beobachten von verstärkten internationalen Handelsströmen und bei Abhängigkeiten bei bestimmten Importwaren aus. Für den Bauernbund ist das ein willkommener Anlass, den sofortigen Stopp der Mercosur-Verhandlungen zu fordern. „Das geplante Abkommen droht den europäischen und österreichischen Markt mit Rindfleisch und Zucker aus Zuckerrohr zu überschwemmen. Auf brandgerodeten Plantagen im ehemaligen Regenwald wird zu deutlich niedrigeren Standards produziert, warnt Nemecek.

Als Unterstützung sieht der Bauernbund aktuelle Umfrageergebnisse des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD). Dort teilen 67 % der Befragten die Befürchtung, dass die Importabhängigkeiten in den kommenden Jahren noch größer werden. Von diesen 67 % lehnen fast alle (94 %) diese Entwicklung ab.