EU: Insekten dürfen nicht ohne Kennzeichnung in Lebensmitteln enthalten sein

Angeblich soll es dank zwei neuer EU-Verordnungen jetzt möglich sein, dass in Lebensmitteln wie Pizza, Schokolade oder Suppen ohne Wissen des Verbrauchers Insektenbestandteile, etwa von der Hausgrille, enthalten seien. Das stimmt nicht. Dafür besteht eine Kennzeichnungspflicht. Auch ein Allergiehinweis muss auf den Etiketten stehen.

„Die Menschen werden nun Insekten fressen, ohne es zu wissen“, wird seit Mitte Januar unter anderem auf Telegram und Facebook behauptet. Die Beiträge wurden tausendfach geteilt. Hintergrund sei eine neue Genehmigung der EU: Diese habe „zum neuen Jahr 2023 die Genehmigung erteilt, Insekten (Hausgrillen) in Backwaren, Teigwaren und andere Teilfertigprodukte ‚für die allgemeine Bevölkerung‘ mit beizumischen“ – und das angeblich ohne Kennzeichnungsvorschriften über mögliche Allergien und nur mit Verweis auf die lateinische Bezeichnung der Insekten.

Mit einer Erweiterung der Verordnung für neuartige Lebensmittel hat die EU tatsächlich genehmigt, dass in bestimmten Lebensmitteln ab dem 24. Januar 2023 teilweise entfettetes Pulver aus den sogenannten „Acheta domesticus“, verarbeitet werden darf, und ab dem 26. Januar 2023 ( Verordnung archiviert) ebenso Larven von Getreideschimmelkäfern, den sogenannten „Alphitobius diapernius“, in „gefrorener, pastenartiger, getrockneter und pulverisierter Form“. 

Dass diese ohne Kennzeichnung oder nur mit lateinischem Namen auf Produkten gekennzeichnet würden, stimmt nicht. Ebenso falsch ist, dass ein Allergiehinweis fehle. Neu ist die Zulassung von Insekten oder Insektenbestandteilen nicht – auch nicht in Bezug auf die Hausgrille . 

„Hausgrille“ und „Getreideschimmelkäfer“ müssen als Zutat explizit auf den Produkten stehen

Ebenfalls ist falsch, dass es keinen Allergiehinweise gebe. Ansgar Weiß, Pressereferent des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit schrieb uns in Bezug zur Getreideschimmelkäferlarve: „Die Kennzeichnung der Lebensmittel […] muss mit dem Hinweis versehen sein, dass diese Zutat bei Verbrauchern, die bekanntermaßen gegen Krebstiere und Erzeugnissen daraus sowie gegen Hausstaubmilben allergisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann.“ Der Allergiehinweis muss direkt neben der Zutatenliste stehen. Nahrungsergänzungsmittel rund um die Getreideschimmelkäferlarve müssten zudem den Hinweis enthalten, dass das Nahrungsergänzungsmittel nicht von Personen unter 18 Jahren verzehrt werden soll. 

Auch bei der Hausgrille muss ein unmittelbarer Hinweis angebracht werden, dass die Zutat „bei Verbrauchern, die bekannterweise gegen Krebs- und Weichtiere und Erzeugnisse daraus sowie gegen Hausstaubmilben aller­gisch sind, allergische Reaktionen auslösen kann“ – so steht es in der Verordnung. 

Hausgrille und Getreideschimmelkäferlarven sind sogenannte neuartige Lebensmittel – das sind Lebensmittel, die „vor Mai 1997 nicht in ‚Umfang konsumiert wurden‘, schreibt die Europäische Behörde für Lebensmitelsicherheit (EFSA). Seit 1997 gebe es in der EU die Verpflichtung, jene Lebensmittel vor der Vermarktung auf ihre Sicherheit von der EFSA zu prüfen und „sodann vom Gesetzgeber zuzulassen“, erklärte Struck-Pacyna vom Lebensmittelverband. Das geschah auch in diesem Fall. Die EFSA veröffentlichte ihren Bericht zur Hausgrille im Mai 2022, für die Getreideschimmelkäferlarve im Juli 2022

Die Hausgrille und der Getreideschimmelkäferlarve seien in den beschriebenen Mengen unbedenklich, heißt es, könnten aber bestimmte Allergien auslösen. 

Richtig ist zwar, dass es laut EFSA neben allergischen Reaktionen auf die Tiere selbst auch zu allergischen Reaktionen gegen das Futter der Insekten kommen könne. Die EFSA betont jedoch, dass durch die empfohlene Menge und bei Einhaltung der entsprechenden EU-Standards keine Bedenken bestünden. In beiden Fällen empfahl die EFSA, mögliche allergische Reaktionen weiter zu erforschen.  von Steffen Kutzner