Insolvenzen in der Landwirtschaft: Das schlimme Ende kommt noch

Die Insolvenzen sind aufgrund der Corona-Hilfen ud der Aussetzung der Insolvenzpflicht bis Mai, niedriger als im Vorjahr. Auch in der Landwirtschaft. Ökonomen erwarten für 2022 jedoch eine deutliche Zunahme der Firmenpleiten.

Trotz Kostenexplosion und Corona-Krise sind 2021 weniger landwirtschaftliche Umnehmen insolvent. Die Ursachen sind die gleichen wie in der übrigen Wirtschaft. Das schlimme Ende kommt im ersten Halbjahr 2022, glauben Analysten.

Insolvenzen spielen in der Landwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle. Betriebsaufgaben erfolgen in der Regel auf andere Weise: Über den Verkauf oder die Verpachtung von Flächen und Gebäuden oder die Übernahme durch Dritte. Von Insolvenzen betroffen sind oft aber besonders große Betriebe mit hohen Inventar- und Bodenwerten und oft auch viel Personal.

Geht man einmal davon aus, dass im Mittel der Jahre etwa 2 % der Betriebe die Produktion aufgeben, so sind das immerhin 5000 bis 6000 Höfe, die jährlich aus der landwirtschaftlichen Produktion ausscheiden. Ein Insolvenzverfahren haben in den letzten 10 Jahren jedoch nur zwischen 100 und 150 Agrarunternehmen eröffnet. Das sind nicht mehr als 3 Prozent.

Corona-Krise und Kostenexplosion haben der Landwirtschaft ökonomisch massiv zugesetzt. Jedoch ist die Zahl der Insolvenzen in den schweren kriesenzeiten – anders als üblich und zu erwarten war – nicht angestiegen. Im Gegenteil: Die Zahl der Unternehmenspleiten ist in allen Wirtschafzweigen – auch in Landwirtschaft – in den Jahren 2020 und 2021 zurückgegangen.

Nach den Erwartungen des weltgrößten Kreditversicherers Euler Hermes wird die Zahl der Insolvenzfälle erst im kommenden Jahr wieder zunehmen – und das gilt weltweit und auch in Deutschland.

Wie die Daten von Destatis zeigen, liegen die Insolvenzen 2021 sogar noch unter dem Niveau von 2020. Für die Landwirtschaft melden die Statistiker für den Zeitraum Januar bis August 66 Insolvenzen – im Vergleich zu 75 Im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im gesamten Jahr 2020 waren es 102 – im Vergleich zu 125 im Vor-Coronajahr 2019.  

Grund für die geringen Betriebspleiten sind die massiven Stützungsmaßnahmen in der Wirtschaft, mit denen die Staaten Firmen über die Coronakrise hinweghelfen wollten, heißt es in einer Studie von Euler Hermes. Entscheidend war jedoch, dass der Staat die Pflicht zur Insolvenzanmeldung für Firmen ausgesetzt hatte, die wegen der Pandemie in Schieflage geraten waren.

Für die gesamte Wirtschaft geht der Kreditversicherer für das Jahr 2021 von einem Rückgang der Insolvenzen um rund fünf Prozent aus. Das wäre der niedrigste Stand seit 1993. „2022 dürften dann auch in Deutschland die Pleiten wieder um rund neun Prozent zunehmen“, sagt Maxime Lemerle, Leiter der Branchen- und Insolvenzanalyse von Euler Hermes. Das soll sich dann vor allem im zweiten Halbjahr 2022 in den Insolvenz-fällen niederschlagen.

Der rückläufige Trend der vergangenen Monate setzte sich somit auch nach Auslaufen vieler Sonderregelungen, wie der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen, fort. Im Vergleich zum August 2019, also vor der Corona-Krise, war die Zahl der landwirtschaftlichen Unternehmensinsolvenzen im August 2021 ebenfalls um zwei Drittel und in der übrigen Wirtschaft um ein Drittel niedriger.

Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es im August 2021 im Baugewerbe mit 190 Fällen und im Handel mit 141 Verfahren. Vorrangig waren im 1. Halbjahr 2021 Insolvenzen von Kleinstunternehmen zu verzeichnen.

In der Größenklasse bis maximal 250.000 Euro Jahresumsatz stiegen die Fallzahlen gegen den Trend zweistellig. Insgesamt entfiel mehr als die Hälfte aller Firmeninsolenzen des 1. Halbjahres (54,1 Prozent) auf diese Umsatzgrößenklasse, die sich hauptsächlich aus Einzelunternehmen und Freiberuflern zusammensetzt.

Mehr als jedes zweite insolvente Unternehmen in Deutschland war älter als 10 Jahre. Damit setzte sich der Trend fort, wonach für viele Insolvenzkandidaten das Aus nicht als junges, sondern erst als etabliertes Unternehmen kommt.

Sonderregelungen durch Corona und Hochwasser

Beim zeitlichen Vergleich der Insolvenzzahlen ist zu beachten, dass das Insolvenzgeschehen in den Jahren 2020 und 2021 von Sonderregelungen geprägt war. Timo Wollmershäuser, Leiter der ifo-Konjunkturforschung, sagt: „Die Gewinnrückgänge der Unternehmen 2020 waren viel geringer, als man es bei diesem Konjunktureinbruch erwarten würde.

Die Berechnungen des ifo-Institus zeigen: Die staatlichen Hilfen haben das Insolvenzrisiko um etwa ein Viertel reduziert. Statt der knapp 16.000 Insolvenzen im vergangenen Jahr hätten es eigentlich rund 20.500 sein müssen.“

Von Anfang März 2020 bis Ende 2020 war die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen infolge der Corona-Pandemie ausgesetzt. Diese Regelung galt bis Ende April 2021 weiterhin für Unternehmen, bei denen die Auszahlung der seit 1. November 2020 vorgesehenen staatlichen Hilfeleistungen noch ausstand. Für diese Unternehmen wurde die Pflicht zur Beantragung eines Insolvenzverfahrens erst zum 1. Mai 2021 wieder vollumfänglich eingesetzt.

In den Zahlen für August 2021 ist, unter anderem aufgrund der Bearbeitungszeit bei den Gerichten, weiterhin keine Trendumkehr bei der Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu beobachten, sagt Destatis.

Beruht der Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Auswirkungen der Starkregenfälle oder des Hochwassers im Juli 2021, ist die Insolvenzantragspflicht noch bis maximal 31. Januar 2022 ausgesetzt.