Österreich könnte zum „Zünglein an der Waage“ werden bei Mercosur

Beim EU-Gipfel am 20. Dezember könnte die Union Mercosur final beschließen – vorausgesetzt, es findet sich die nötige qualifizierte Mehrheit. Österreich könnte zum „Zünglein an der Waage“ werden.

Das seit rund 25 Jahren verhandelte EU-Mercosur-Abkommen steuert auf eine entscheidende Phase zu. Beim EU-Gipfel am 20. Dezember könnte die Union das Freihandelsabkommen mit Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay final beschließen – vorausgesetzt, es findet sich die nötige qualifizierte Mehrheit unter den Staats- und Regierungschefs. Österreich kommt dabei eine besonders wichtige Rolle zu, da das Land in der Abstimmung zum „Zünglein an der Waage“ werden könnte, berichtet der Kurier in seiner Freitagausgabe.

Mit rund 700 Mio. Einwohnern wäre die Zone eine der weltweit größten Freihandelszonen. Die EU erhofft sich laut Kurier nach Jahren wirtschaftlicher Schwäche neue Wachstumsimpulse, verlässlichere Handelspartner und geringere Abhängigkeiten gegenüber China, das längst wichtigster Handelspartner des südamerikanischen Staatenbundes ist. Das Abkommen soll Zölle abbauen und den Austausch von Maschinen, Pharma- und Industriegütern aus der EU sowie Rohstoffen, Agrar- und Pflanzenprodukten aus Südamerika erleichtern. Die EU-Kommission schätzt, dass die jährlichen EU-Exporte nach Südamerika um bis zu 49 Mrd. Euro steigen und bis zu 440.000 Arbeitsplätze gesichert werden könnten.

Gegner des Abkommens – darunter Bauernvertreter, Umweltschützer, die Grünen und die FPÖ – warnen laut dem Bericht vor negativen Folgen für den Klimaschutz und die europäische Landwirtschaft. Immer wieder wird auf die Gefahr verstärkter Regenwaldrodungen verwiesen oder vor günstigem Rindfleisch aus Südamerika gewarnt.

Dem widerspricht WIFO-Agrarökonom Franz Sinabell, und spricht von „Mythen“ aufseiten der Mercosur-Gegner. Bereits jetzt würden jährlich 200.000 Tonnen Rindfleisch in die EU importiert. Durch Mercosur kämen lediglich 99.000 Tonnen zollfrei hinzu – rund ein Prozent des EU-Verbrauchs. Zudem seien die Pariser Klimaziele inzwischen rechtsverbindlich im Abkommen verankert.

Politisch bleibt die Lage dennoch angespannt. Frankreich fordert seit Jahren strengere Umweltauflagen. Polen sowie mehrere weitere Staaten gelten laut Kurier ebenfalls als unsicher. Österreich steht dabei besonders im Fokus: Aufgrund eines alten Parlamentsbeschlusses wäre Bundeskanzler Christian Stocker derzeit eigentlich verpflichtet, ein Nein zu Mercosur abzugeben. Hinter den Kulissen wird jedoch laut Bericht über verschiedene Optionen spekuliert – etwa eine kurzfristige Parlamentsabstimmung, um ein Ja zu ermöglichen, oder der Versuch, die Entscheidung so zu gestalten, dass das Abkommen auch ohne österreichische Zustimmung mehrheitsfähig wird.

Österreichische Wirtschaftsvertreter warnen derweil vor den Folgen eines Scheiterns. Fiskalratspräsident Christoph Badelt und WIFO-Chef Gabriel Felbermayr sehen im Abkommen eine wichtige Chance für Wachstum, internationale Glaubwürdigkeit und den Erhalt europäischer Handelsmacht. Ein Scheitern würde Europa weiter in Richtung globale Bedeutungslosigkeit drängen, so der Tenor. von Torsten Altmann