Während die Bierpreise im Dezember um gut 3 % steigen, geht’s bei der Milch genau andersherum. Um bis zu 3 % rasseln die Erzeugerpreise bei einigen Molkereien im Dezember hinunter. Schon im November gab es Preisanpassungen nach unten. Als Grund dafür wird u. a. die in den letzten Monaten rasant gestiegene Milchmenge in Europa genannt. Parallel dazu überbieten sich die Handelsketten mit Billigangeboten von Butter & Co.
Selbst versierte Fachleute schienen im Spätsommer nicht zu erahnen, was auf uns zukommen würde. So erklärte Berglandmilchchef Josef Braunshofer noch im September gegenüber top agrar, dass er bis zum Jahresende von stabilen Verhältnissen ausgehe. Weit gefehlt.
Der Abwärtssog hält wohl noch an und die Nettopreise für gentechnikfreie Milch dürften womöglich wieder unter die wichtige 50 Cent-Marke fallen. Dabei macht ein Blick auf die Vollkosten in Österreichs Betrieben nur allzu deutlich, wie wichtig die zuletzt erzielten Erzeugerpreise sind. Laut Betriebswirtschaftlern liegen die Produktionskosten für gentechnikfrei erzeugte Milch zwischen etwa 50 bis über 60 ct/kg.
Diese Vollkosten sind kein „Wunschlohn“, sondern die betriebswirtschaftliche Untergrenze zum Überleben. Sonst sind Investitionen und das Bedienen von Schulden kaum möglich. Liegt der Auszahlungspreis deutlich darunter, wird Verschleiß betrieben: Maschinen werden zu lange gefahren, Investitionen verschoben, Arbeitsstunden unbezahlt aus der Familie „gezogen“.
Dementsprechend sind etliche Milchbetriebe verschuldet. Gerade diese überleben eine erneut lang anhaltende Tiefpreisphase nicht. Kein Wunder, dass die Zahl der Milchbetriebe in Österreich dramatisch sinkt. Waren es zum EU-Beitritt noch über 80.000 Milchbäuerinnen und -bauern, sank deren Zahl bis heute auf nur noch wenig über 20.000.
Unter Bauern wird angesichts der bedrohlichen Situation der Ruf nach einem Branchenverband der Milchbauern laut – u. a. mit klaren Vorgaben an die Molkereien, kostendeckende Preise in den Mittelpunkt zu stellen, und der Bereitschaft, ruinösen Preiswettbewerb nicht mehr mitzumachen. In diesem Zusammenhang stellen sich viele Bauern die Frage: Warum verkaufen sechs, sieben Molkereien in Österreich die gleichen Produkte, machen die gleiche Werbung und alles für so einen kleinen Markt. Wäre es nicht sinnvoller, die Milch zu bündeln hin zu einheitlichen rot-weiß-roten Produkten?
Gleichzeitig sollte unfairen Handelspraktiken wie Lockangeboten mit Billigmilch ein Riegel vorgeschoben werden. Solange der Handel nahezu ungebremst nach unten drücken kann, sind alle Appelle an „Partnerschaft“ hohl. Und nicht zu vergessen: Importe, die nicht denselben Produktionsbedingungen wie bei uns entsprechen, sollten ausgebremst werden. Dafür brauchen wir eine allumfassende, lückenlose Herkunftskennzeichnung. Dies wäre ein wichtiger Schlüssel.
Fest steht: Ein sinkender Milchpreis ist kein Naturereignis, das wir ohnmächtig hinnehmen müssen. Er ist das Ergebnis eines Systems, das Marktmacht nach oben konzentriert und Kosten nach unten durchreicht. Gegensteuern heißt: sich organisieren, politisch Druck machen und die eigene Rolle in der Kette neu definieren. Wenn wir das nicht tun, dann sinkt nicht nur der Milchpreis. Dann sinkt schlicht die Zahl der Höfe, bis für viele erst zu spät sichtbar wird, was sie verloren haben. von Torsten Altmann
