
Kaffee ist das beliebteste Getränk – doch die Preise steigen und steigen. Eine Entwicklung, die Röstereien im ganzen Land umtreibt. Ein Experte erklärt, warum die Preise so explodieren konnten.
Über Kaffee wurde lange nicht mehr so viel gesprochen wie aktuell. Röstereien ächzen unter den Bohnenpreisen. Auch Kunden müssen tiefer in die Tasche greifen. Für die Preisexplosion sind dabei besonders die verantwortlich, die nun auf allen Stationen der Produktionsketten zu den Verlierern gehören: die Menschen. Der Klimawandel und die dadurch häufigeren Extremwetterlagen ruinieren Ernten, sorgen für eine Verknappung. Die Preise steigen.
Einer, der sich mit Kaffee auskennt, ist Teja Tscharntke. Der Professor für Agrarökologie an der Universität Göttingen forscht zu den Kaffeesträuchern, ist mit den sensiblen Pflanzen bestens vertraut. Für den Wissenschaftler kommen die Probleme auf dem Kaffee-Markt nicht überraschend: „In der Landwirtschaft wird oft erst reagiert, wenn Probleme akut sind“,
Die wichtigsten Kaffeeländer liegen rund um den Äquator. Etwa Brasilien in Lateinamerika, Vietnam in Asien, Äthiopien in Afrika – Länder, die zuletzt Trockenheit, niedrige Temperaturen und Frost erlebten. „Das ist einer der Gründe, weshalb die Kaffeepreise so volatil sind“, sagt Tscharntke. Schreitet der Klimawandel voran, werden Wetterkapriolen häufiger. Die Bedingungen für eine gute Kaffeeernte verschlechtern sich.
Immer wieder kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu steigenden Kaffeepreisen, meist ausgelöst durch Wetterereignisse. Eine so deutliche Verteuerung des Kaffees, wie sie im vergangenen Jahr stattfand, ist jedoch neu. Eine Entspannung ist auch 2025 nicht in Sicht: Für Brasilien – das im vergangenen Jahr unter einer schweren Dürre litt – prognostiziert die dortige nationale Versorgungsgesellschaft Conab für die Saison 2025/26 einen Rückgang der Ernte um 4,4 Prozent im Vergleich zur vergangenen Saison.
Mit Folgen an der Börse: Terminkontrakte für ein Pfund Arabica-Bohnen an der New Yorker Börse haben im Februar mit 4,30 Dollar ein Rekordhoch aus dem Jahr 1977 überboten. Weniger technisch gesagt: Kaffee wird immer teurer – vermutlich auch in diesem Jahr, damit rechnen Experten. Selten war die Anspannung in der Branche so hoch. Discounter wie Aldi oder Anbieter wie Tchibo sorgten zuletzt für Schlagzeilen durch erhöhte Kaffeepreise.
Was erschwerend hinzukommt: Gerade bei einer wichtigen Kulturpflanze wie dem Kaffeestrauch fehlt es an Züchtungen. Nur zwei Sorten machen fast die gesamte Produktion aus: Coffea arabica und C. robusta. Arabica, ein Hochlandkaffee, ist die in Lateinamerika am meisten angebaute Art und bevorzugt die niedrigeren Temperaturen in höheren Lagen. Robusta hingegen wird überwiegend im Flachland angebaut, besonders in Asien, etwa in Vietnam. Monokulturen, die anfällig für klimatische Veränderungen und Schädlinge sind.
Der weltweit größte Kaffee-Einkäufer Nestlé hat das Geschäftsrisiko bereits erkannt. Die Kaffeesparte ist für die Schweizer das Hauptgeschäftsfeld. Wie das „Handelsblatt“ im Januar berichtete, plant der Konzern einen Aktionsplan in Milliardenhöhe, um klimaresistentere Arten zu züchten und Bauern in regenerativen Anbaumethoden zu schulen.
Einen wichtigen Akteur in der Kaffee-Produktion scheint dabei auch Gigant Nestlé zu übersehen. „Ohne Bienen gibt es keinen Kaffee“, sagt der Professor. Beim Hochlandkaffee könne allein durch die richtige Bestäubung eine Ertragssteigerung von bis zu 50 Prozent erzielt werden. Noch mehr beim Tieflandkaffee durch größere Blüten. „Aber auch Bienen leiden unter den Klimaveränderungen.“
So wie die Bienen und die Kaffeesträucher unter dem Klimawandel leiden, leiden die Preise derweil zusätzlich unter Spekulationen an der Börse. In der Regel gilt: Gehen Investoren davon aus, dass ein Rohstoff zukünftig knapp werden könnte, investieren sie an der Börse, um sie an einem späteren Zeitpunkt teurer weiterzuverkaufen. Auch Trumps Zollpolitik, bürokratische Auflagen der EU wie das kürzlich verschobene Lieferkettengesetz oder hohe Frachtkosten treiben möglicherweise die Preise nach oben. von Timo Naumann