Es weht ein neuer Wind in Brüssel. Anfang der Woche hatte EU-Agrarkommissar Christophe Hansen angekündigt, die Landwirte im Wettbewerb stärken zu wollen. Jetzt hat er geliefert und zwei Vorschläge auf den Tisch gelegt. Es geht um Änderungen in der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) und bei unlauteren Handelspraktiken (UTP)
Beide Vorschläge spiegeln direkt mehrere Empfehlungen des strategischen Dialogs über die Zukunft der Landwirtschaft der EU wider. Die Vorschläge werden nun im Europäischen Parlament und vom EU-Agrarrat erörtert. Der scheidende Bundesagrarminister Cem Özdemir will sich in den Beratungen in Brüssel dafür einsetzen, die Landwirtinnen und Landwirte und ihre Stellung in der Wertschöpfungskette weiter zu stärken – „und zwar ohne viel neuen Papierkram“. Andere sehen Hansens Vorschläge aber etwas kritischer.
Mit der Änderung in der GMO will Hansen strengere Vorschriften für Verträge zwischen Landwirten und Käufern einführen. Gleichzeitig soll verbindliche Mediationsmechanismen geben bei Streitigkeiten zwischen Verkäufer und Käufer. Erzeugerorganisationen will Hansen mehr Gewicht verleihen. Zum Beispiel sollen sie von der EU unterstützt werden, wenn sie private Initiativen ergreifen, um Marktkrisen zu bewältigen. Möglicherweise könnte Hansen damit freiwillige Mengenbeschränkungen meinen, wenn ein Überangebot herrscht. Begriffe wie „fair“, „gleichwertige“ und „kurze Lieferketten“ sollen künftig bei der Vermarktung einheitlich definiert werden. Der Agrarkommissar will auch mehr Möglichkeiten für Nachhaltigkeitsinitiativen schaffen. Damit will er den Generationswechsel unterstützen sowie kleine landwirtschaftliche Betriebe erhalten.
Parallel dazu schlägt die Kommission neue Vorschriften vor, um auch bei grenzüberschreitenden Handel unlautere Handelspraktiken in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette zu verbieten. Im Durchschnitt stammen rund 20 Prozent der Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse aus einem anderen Mitgliedstaat. Die Zusammenarbeit der nationalen Durchsetzungsbehörden – Austausch von Informationen, Ermittlungen, Sanktionen – muss aus Sicht der EU-Kommission verbessert werden. Angedacht ist unter anderem ein neuer Amtshilfemechanismus, über den sich nationale Behörden bei begründetem Verdacht auf eine grenzüberschreitende Dimension auf eine koordinierte Maßnahme einigen.
Für den Dachverband der europäischen Bauern- und Genossenschaftsverbände (Copa-Cogeca) ist Hansens Vorschlag über unlautere Handelspraktiken noch ausbaufähig. So sei es für Landwirte und Genossenschaften nicht länger tragbar, ihre Produkte unter den Produktionskosten zu verkaufen. Die Liste der unlauteren Handelspraktiken müsse aktualisiert werden, um den Realitäten der heutigen Märkte Rechnung zu tragen, so der Dachverband. Er fordert zudem anonyme Beschwerden zu ermöglichen, damit Landwirte keine Angst vor Nachteilen haben müssen, wenn sie Verstöße ihres Handeslpartners melden. Bei Regelverstößen hält Copa-Cogeca „abschreckende“ Sanktionen für nötig.
Die AbL verlangt, den EU-Vorschlag zur GMO um ein Kaufverbot unter Produktionskosten zu erweitern. „Das sind erste wichtige Schritte, damit wir Bäuerinnen und Bauern kostendeckende und gewinnbringende Preise für unsere Arbeit und Leistungen erzielen können“, ist sich der Milcherzeuger sicher. Er erwartet auch, dass die UTP-Richtlinien die internationale Lieferkette in den Blick nimmt, um eine soziale Fairness in Handelsabkommen wie Mercosur zu erreichen. Das ändert laut Hannen nichts an der ablehnenden Haltung der AbL am Mercosur-Abkommen.