Ernährung und Klima: Fleischfrei gesund und klimafreundlich essen – die Evidenz fehlt

Die Debatte, ob Fleischkonsum gesund und noch zu rechtfertigen ist, fußt auf unsoliden Studien. Der wissenschaftliche Streit darum wird mit harten Bandagen geführt. Die Verteufelung der Fleischlobby ist hierbei ein beliebtes Vorgehen. Allerdings hat auch die Gegenseite Interessenkonflikte, die den meisten nahezu unbekannt sind.

Der aufgeklärte Patient isst heute pflanzenbasiert und klimabewusst. „Herr Doktor, ich habe mir vorgenommen, mich gesünder zu ernähren und vor allem weniger Fleisch zu essen“ – so oder ähnlich vermitteln Patienten, wie sehr sich das Negativimage von Fleisch verfestigt hat. Befördert wird dies durch Ernährungsmythen und Fake News.

Meldungen über Nachteile des Fleischkonsums nehmen zu und fügen sich zu einem scheinbar konsistenten Strauß von Argumenten für die fleischfreie Ernährung. Vor Kurzem ist zum Beispiel erneut eine Studie erschienen, die eine Assoziation zwischen einem erhöhten Verzehr von Fleisch und der kardiovaskulären Mortalität sowie der Gesamtmortalität verkündet (1). In 6 Kohorten (29 682 Patienten) fand man in 19 Jahren Beobachtungsdauer pro Verzehr von 2 Portionen unverarbeitetem roten Fleisch je Woche für beide Endpunkte eine Risikosteigerung – allerdings um lediglich 3 %.

Das ist ein „Pseudoresultat“ und leicht zu entkräften. Denn sowohl Ungenauigkeiten in der Datenerhebung als auch mögliche systematische Fehler in Beobachtungsstudien bedeuten, dass ein relatives Risiko von 1,03 (95-%-Konfidenz-Intervall: 1,01–1,06) schlicht nichts aussagt. Auch ein Blick in die Details macht diese Studie unglaubwürdig: Angeblich lag der durchschnittliche Alkoholkonsum in der Studie bei 1 g pro Tag. Das unterschätzt die realen Trinkmengen um mindestens das Zehnfache, wie es durch andere Untersuchungen zur Genüge belegt wurde.

Die fachliche Kritik kann zwar aufdecken, warum solche Analysen auf derart wackeligen Füßen stehen. Doch solche wissenschaftliche Fachkritik findet keinen Eingang in die öffentliche Debatte. Vielmehr bestärkt die Schlagzeile „Meat Increases Heart Risks!“, die die New York Times aus der Studie destillierte, unwidersprochen den Zeitgeist.

Zum Thema Fleischverzehr gibt es kaum randomisiert-kontrollierte Ernährungsstudien mit harten Endpunkten. In der Womensʼ Health Initiative Study reduzierten die auf die fettarme Ernährung randomisierten Frauen ihren Fleischverzehr um rund 20 %. Dies ergab jedoch keinerlei Unterschied bei den verschiedenen Endpunkten wie Gesamtmortalität, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen:

Beispielsweise zeigt sich in Studien zum Verzehr von Fleisch, dass die Gruppen mit geringem Fleischverzehr im Durchschnitt gebildeter, schlanker, sportlich aktiver, seltener Raucher und insgesamt gesünder waren als die Gruppen der Fleischesser. Derart systematische Unterschiede versucht man zwar statistisch herauszurechnen – multivariat adjustiert heißt das. Dies ist aber oft intransparent, denn das Ausmaß der Adjustierung für einzelne, ungleich verteilte Risikofaktoren wird nicht bekannt gegeben. Eine Verzerrung der Resultate ist daher auch in Metaanalysen unvermeidbar. Ein weiteres Problem ist der sogenannte „Recall Bias“. Er bezeichnet die Unsicherheit in Bezug auf die korrekte Erinnerung an das Ernährungsverhalten. Die Autoren um Guyatt betonen daher, dass auch Metaanalysen allenfalls unzulängliche Evidenz für einen Einfluss von Fleisch auf Krankheitsrisiken liefern könnten. Die Beweiskraft sei insgesamt zu schwach, um daraus seriöse Empfehlungen für die Bevölkerung abzuleiten.

Die Medizinjournalistin Rita Rubin hat unlängst den offenbar koordinierten Angriff der Fleischgegner in JAMA aufgedeckt. Zudem beleuchtet sie die oft übersehenen Interessenkonflikte der Gruppe um den THI-Gründer Dr. David Katz. Etliche der THI-Mitglieder erhielten Forschungsgelder und Sponsoring von Lebensmittelkonzernen, die vornehmlich pflanzliche Produkte herstellen. Was mithin der texanischen Universität vorgeworfen wurde, kommt so als Bumerang auf die THI-Mitglieder zurück.

Ähnlich verzerrt sind die Aussagen zur Klimaschädlichkeit des Fleischkonsums. Früher hieß es: „Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“, heute eher: „Fleischkonsum ist der Klimakiller Nummer 1.“ Der Gehalt einer solchen Aussage ist indes ebenso fragwürdig wie die Aussagen über gesundheitsschädigenden Fleischkonsum. Nach den aktualisierten Daten der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA trägt der gesamte Agrarsektor zu 9,3 % zu den Treibhausgas-Emissionen bei . Mehr als drei Viertel stammen indes aus Verkehr (27,9 %), Energieerzeugung (26,9 %) und Industrie (22,2 %) . Die Fermentation bei Wiederkäuern trägt 2,7 % zu den gesamten Emissionen bei. Fast 3-mal so viel Methan wird dagegen durch Fracking, Mülldeponien und die Kohle- und Benzinproduktion freigesetzt, ein Aspekt, der häufig übersehen wird.

Start-ups wie „Beyond Meat“ oder „Impossible Foods“ und fast alle großen Lebensmittelkonzerne fördern zwecks Klimaschutz den Trend zum Kunstfleisch. Dahinter stecken mächtige Investoren wie zum Beispiel Bill Gates, der am Impossible Burger beteiligt ist . Die Umsätze mit veganen Produkten haben sich innerhalb weniger Jahre vervielfacht. Auch hier gilt es, mögliche Interessenkonflikte zu erkennen. So hat der bekannte Regisseur David Cameron (Titanic, Avatar) mit „The Game Changers“ einen Netflix-Film über die vermeintlichen Vorteile der veganen Ernährung für Spitzensportler gedreht. Den Hintergrund, dass Cameron in großem Stil in eine Firma zur Herstellung von Pflanzenprotein aus Erbsen investiert hat, kennen die wenigsten . Eine fundierte Gegendarstellung bietet Brian Sanders demnächst mit der Filmdoku „FoodLies“ – konzentriert zusammengefasst im Internet unter http://daebl.de/FM43.

Aus Sicht der Ernährungsmedizin macht die Unterscheidung in tierische und pflanzliche Lebensmittel ohnehin keinen Sinn. Denn nicht nur Gemüse, Obst und Olivenöl, sondern auch Zucker, Softdrinks und sämtliche stärkereichen Weißmehlprodukte sind pflanzlich. Die „Planetary Health Diet“ würde bei einem angenommenen Grundumsatz von 2 000 kcal etwa einer Zufuhr von mehr als 330 g Kohlenhydraten pro Tag oder 55–60 % der gesamten Kalorien entsprechen. Die PURE-Studie hatte gezeigt, dass eine derart kohlenhydratreiche Kost für den überwiegenden Teil der Menschen schädlich ist und die Gesamtsterblichkeit erhöht . Nicht umsonst gilt die Kohlenhydratreduktion – „low carb“ – vielen Experten als Meilenstein im Hinblick auf eine gesunde Ernährung. Die Resultate der PURE-Studie werden im EAT-Paper jedoch völlig übergangen. Außerdem ist die Finanzierbarkeit der Planetendiät ein unterschätztes Problem. Mehr als eineinhalb Milliarden Menschen weltweit könnten sie sich schlicht nicht leisten, lautet die Kritik (Kommentar) .

Wenn Organisationen über Publikationen in hochrangigen Journalen, mit dem Anstrich von vermeintlich offiziellen Ernährungsempfehlungen Millionen gesunder Bürger dazu bewegen möchten, ihre Ernährungsgewohnheiten einschneidend zu verändern, tragen sie eine hohe Verantwortung. Es sollte sicherstellt sein, dass die Umsetzung ihrer Empfehlungen auch mit eindeutigen gesundheitlichen Vorteilen einhergeht. Dies, so zeigt die Artikelserie in den Annals of Internal Medicine, ist jedoch nicht der Fall.