Ohne Landwirtschaft keine Kirche

Pastor Matthias Jehsert erinnert an die uralte und enge Verbindung zwischen Kirche und Landwirtschaft. Er hat einen Rat, wie dieses Verhältnis erfolgreich in die Zukunft getragen werden kann.

Kirche – und im weitesten Sinne Kultur – im ländlichen Raum ist seit jeher undenkbar ohne ein intensives Verhältnis zur Wertschöpfung. Diese liegt bis heute weitgehend bei unserer heimischen Agrarwirtschaft. Überschüsse ermöglichten schon im Spätmittelalter den Ausbau des Sozial­wesens in den Städten; zahlreiche Stifte und Spitäler zeugen davon, ebenso die bis heute erhaltene religiöse Kunst und Architektur. Nach der Reformation wurde das Stiftungswesen weitgehend vom Patronat abgelöst – und dieses erst im 20. Jahrhundert durch staat­liche Zuschüsse. Zugleich sind kirchliche Körperschaften in vielen Regionen bis heute mit eigenem Grundvermögen ausgestattet.

Umgekehrt sind die Kirchen soziale Akteure im ländlichen Raum, mitunter gar die einzig verbliebenen. Sie verantworten nicht allein das religiöse Leben, sondern auch Perspektiven für Kultur, Bildung, Integration, Regionalentwicklung und zunehmend für das interkulturelle Miteinander. Ihr diakonischer Einsatz ist vielerorts unverzichtbar, sei es als Träger der Jugendhilfe, von ­Kindergärten, Beratungsstellen und Friedhöfen, sei es bei der häuslichen Seelsorge oder im Hospizdienst. Chöre und Konzerte gedeihen auf kirchlichem Grund, Bastelkreise, Orts-Feste und auch schonmal ein Kicker-Turnier.

Nicht zuletzt prägt der Kirchturm manches Dorf, manche Landschaft. So kommen die Erträge des agrarisch genutzten Pfarr- und Kirchenlandes dem Gemeinwohl zugute. Deshalb sollte auch ein Interesse an sinnvollen Rahmenbedingungen für die betrieblichen Entscheidungen der Land- und zunehmend der Energiewirte einleuchten.

Gleichwohl hört man immer wieder von Zielkonflikten, die sich aus der ­gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für Gegenwart und Zukunft ergeben und von denen gerade die Kirchen durch ihren Einsatz für die „Bewahrung der Schöpfung“ betroffen sind. Ernährungssicherheit versus Klimaschutz, Flächenversiegelung durch Photovoltaik, Wiedervernässung, Windkraft, Nachhaltigkeit im Landbau oder die wirtschaftliche Erschließung von Regionen für Naturschutz oder Tourismus treten als Themen immer wieder zutage. Selbst Artenschutz-Projekte auf Kirchplätzen sind nicht immer kollisionsfrei umzusetzen.

Umso wichtiger ist es, in derartigen Fragen das Bewusstsein für die eigene Rolle etwa als Verpächter und die ­eigenen Interessen zu schärfen und ein konstruktives Miteinander zu pflegen. So kann zwischen Kirche und Landwirtschaft auch in den nächsten Jahrzehnten, bei allem Wandel und un­abhängig von der konfessionellen Bindung, Vertrauen herrschen, wie es im Erntedankfest zum Ausdruck kommt.