Noch ärger als Drogen und Waffen: Die weltweiten Geschäfte der Holz-Mafia

Interpol zufolge werden mit illegal geschlagenen Bäumen jährlich mindestens 50 Milliarden Euro verdient. Und die Nachfrage steigt. Das gefährdet Wälder auf der ganzen Welt – und mit ihnen Lebensräume für Tiere und Menschen.

Jeder zweite Baum in Rumäniens Wäldern, schätzen Experten, wird illegal geschlagen. Wertvolles Edelholz – Teak für teure Yachten – aus Myanmar gelangt trotz Sanktionen in die Europäische Union. Und Prüfunternehmen bescheinigen Forstunternehmen per Qualitätssiegel Nachhaltigkeit und Legalität, obwohl diese ihr Holz in Schutzgebieten schlagen oder falsche Genehmigungen verwenden. Bisweilen verschwinden auf diese Weise ganze Urwälder, indigene Menschen werden vertrieben.

Angesichts der Klimakatastrophe und des nahenden Endes des Zeitalters von Öl und Gas boomt weltweit das Geschäft mit dem Holz – auch das illegale. Eine internationale Recherche unter der Federführung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) hat untersucht, wie die wertvolle Ressource Holz durch illegalen Holzeinschlag, weltweit steigende Nachfrage und fragwürdige Zertifizierungen gefährdet wird.

Schon heute, schätzt die Umweltschutzorganisation WWF, liegt der weltweite Holzverbrauch gut 50 Prozent über der Menge, die auf nachhaltige Weise wieder aufgeforstet werden kann. Also so, dass sich Wälder regenerieren und ihre Funktion als Ökosystem aufrechterhalten können.

40 Medien aus 27 Ländern – in Deutschland gehören neben der Süddeutschen Zeitung auch NDR, WDR und der Spiegel dazu – werden ihre Recherchen in den kommenden Tagen unter dem Titel Deforestation Inc veröffentlichen. Deforestation heißt übersetzt Entwaldung.

Das illegale Holzgeschäft gehört längst zu den einträglichsten Zweigen der organisierten Kriminalität und spielt in derselben Liga wie Drogen- oder Waffenhandel. Schätzte die Weltbank 2012 den Umsatz der globalen Holz-Mafia noch auf jährlich bis zu 15 Milliarden Dollar, geht Interpol heute von mindestens 50 Milliarden Dollar aus. Experten nehmen an, dass weltweit auf diese Art alle zwei Sekunden Wald von der Fläche.

Gleichzeitig nimmt auch der legale Handel mit Holz zu. In Europa gilt das Verbrennen des Rohstoffs als grüne Energie, wird sowohl im privaten als auch industriellen Bereich subventioniert. Das kurbelt den Verbrauch etwa von Pellets an. Das sind aus Sägespänen gepresste Holzstäbchen, kaum größer als ein Zigarettenfilter. In Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark sind Kohlekraftwerke bereits auf die Verbrennung von Pellets umgerüstet worden, der Bedarf kann dort nicht mehr aus heimischer Holzproduktion gedeckt worden.

Für die Pellet-Produktion werden den internationalen Recherchen zufolge aber nicht nur, wie eigentlich vorgesehen, lediglich Holzabfälle oder Restholz verwendet, sondern auch ganze Stämme aus natürlichen Wäldern. SZ und WDR haben deshalb in den Wäldern von North Carolina an der Ostküste der USA recherchiert, wie europäische Umweltpolitik mit dem Verschwinden amerikanischer Laubwälder zusammenhängt. Umweltschützer in den USA kritisieren die Biomasse-Industrie für ihren rabiaten Umgang mit dem Wald und die Belastung der Umwelt durch die industrielle Pellet-Produktion. In North Carolina sei der „Ground Zero“ dieser Branche, sagt eine Umweltschützerin.

Offiziellen Zahlen zufolge gehen in Rumänien jährlich mehr als 20 Millionen Kubikmeter Wald verloren – oft unter den Augen der staatlichen Forstämter, die nach Ansicht von Regierungskritikern häufig Teil des Problems sind. Ohne ihre Genehmigung ist kein legaler Holzschlag möglich, ohne ihr Wegsehen kein illegaler. EU-Politiker befürchten, dass die illegale Abholzung in Rumänien kurzfristig weiter zunehmen könnte, weil dem Land 2024 insgesamt vier Wahlen bevorstehen. „Dieses ganze System wäre ohne politische Rückendeckung nicht möglich“, sagt der rumänische Politiker Nicolae Ștefănuță, der für die Liberalen im Europaparlament sitzt. „Wir müssen davon ausgehen, dass illegales Geld aus der Forstwirtschaft auch in den Wahlkampfkassen landen könnte.“

Allerdings identifizierte die Deforestation-Recherche 48 Prüffirmen, die das Geschäft von Forstunternehmen für nachhaltig erklärt hatten, obwohl diese im Verdacht standen, für Vergehen wie Abholzung von Schutzgebieten, Verwendung falscher Genehmigungen, Holzeinschlag auf indigenen Gebieten oder Einfuhr illegalen Holzes verantwortlich zu sein. Etwa 50 dieser Unternehmen besaßen ein Nachhaltigkeitssiegel sogar noch, während sie für eines oder mehrere dieser Vergehen verurteilt wurden. Angefragte Zertifizierungsunternehmen und das FSC erklärten, man gehe aktiv gegen betrügerische Firmen vor und arbeite mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Kritiker bemängeln in diesem Zusammenhang eine zu große Nähe zwischen den Prüffirmen und den zu prüfenden Forstunternehmen – die suchen sich ihre Zertifizierer selbst aus, bezahlen sie und bauen so oft jahrelange Beziehungen auf.

Von Christoph Cadenbach, Kristiana Ludwig, Lena Maurer, Mauritius Much und Ralf Wiegand