Der Fleischkonzern Tönnies und die Umweltschützer von Greenpeace fordern dasselbe: Höhere Steuern auf Steak und Würste. Was steckt dahinter in Deutschland?

Von Marcus Rohwetter DIE ZEIT

Es ist unwahrscheinlich, dass Greenpeace und der Fleischkonzern Tönnies in der Vergangenheit jemals einer Meinung waren. Die Nichtregierungsorganisation hat sich unter anderem dem Tierschutz verpflichtet. In den Schlachthäusern der westfälischen Firmengruppe finden jährlich 20 Millionen Schweine und mehr als 400.000 Rinder den Tod. Umso überraschender, dass Greenpeace und Tönnies nun doch das Gleiche fordern: einen höheren Mehrwertsteuersatz für Fleisch.

Bislang gilt für Fleisch – so wie für andere Grundnahrungsmittel – der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent. Der Vorschlag von Greenpeace, das zu ändern, bekommt nun unerwartete Unterstützung aus dem größten Schlachthaus Europas. „Für tierische Lebensmittel sollte der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gelten“, sagt Thomas Dosch, Leiter Public Affairs und damit so etwas wie der oberste politische Lobbyist von Tönnies.

Mit der Forderung wird die von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) angestoßene Debatte über „Ramschpreise“ für Lebensmittel konkreter. Bislang waren sich Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft bloß in der Diagnose einig: Niedrige Fleischpreise sind schlecht für die Bauern, schlecht für die Tiere, schlecht fürs Klima. Özdemir will die Ära der Billigschnitzel beenden. Offen blieb bislang, wer den Systemwechsel bezahlen soll.

Gefragt ist ein ökonomisches Wunder. Am Ende soll es ja nicht nur den Nutztieren besser gehen, weil den Mastbetrieben genügend Geld für den Umbau der Ställe bleibt. Auch das Einkommen der Bauern soll steigen. Das alles bei insgesamt weniger Tieren, weil die Landwirtschaft ihre Klimaziele erreichen will. Und natürlich sollen Schnitzel auch für Hartz-IV-Empfänger bezahlbar bleiben.

Dass Tönnies sich nun für die Mehrwertsteuer ausspricht, folgt auch einer betriebswirtschaftlichen Logik. Eine neue Tierwohlabgabe korrekt zu erheben und abzuführen brächte nicht nur bürokratischen Aufwand und damit Kosten mit sich. Auch ihre Ausgestaltung birgt Risiken. Die Abgabe nur auf deutsches Fleisch zu erheben würde billigem Importfleisch – etwa aus Spanien – einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Das wäre schlecht für einen Schlachter wie Tönnies. Fleisch aus dem Ausland ebenfalls mit einer Tierwohlabgabe zu belasten könnte gegen Europarecht verstoßen, sofern die Einnahmen nur deutschen Bauern zugutekämen.

Die Mehrwertsteuer wird bereits erhoben. Der Satz ließe sich leicht ändern, er träfe deutsches ebenso wie Importfleisch. Doch ist auch hier unklar, ob die Mehreinnahmen direkt an Bauern oder Verbraucher weitergereicht werden dürften. Eine Zweckbindung ist bei Steuern normalerweise verboten.