Anbau auf ökologischen Vorrangflächen bleibt in Deutschland verwehrt

Der Anbau auf ökologischen Vorrangflächen bleibt 2022 in Deutschland untersagt. Der Bundesrat gibt die Flächen nur zur Futternutzung frei. Damit setzt sich Agrarminister Cem Özdemir durch.

Der Bundesrat hat am Freitagmittag für 2022 nur die Nutzung des Futteraufwuchses auf ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) erlaubt. Damit setzt Deutschland die von der EU-Kommission erteilte Anbauerlaubnis auf den ÖVF nicht um. Die Bundesländer stimmten im Plenum des Bundesrates dafür, eine Verordnung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) unverändert umzusetzen.

Danach werden 2022 bundesweit Brachflächen, die als ÖVF ausgewiesen wurden, ab 1. Juli zur Beweidung für alle Tierarten sowie zur Schnittnutzung für Futterzwecke freigegeben. Das betrifft laut BMEL rund 170.000 ha. Gleiches gilt für die ÖVF mit Zwischenfruchtanbau oder Gründecke. Hier legt das BMEL eine Fläche von 1,06 Mio. ha als Orientierung zu Grunde. Davon ungehindert bleibt der Anbau von Eiweißpflanzen auf ÖVF ohne Anwendung von Pflanzenschutzmitteln weiterhin möglich.

Die Bundesländer wenden sich damit gegen eine Empfehlung des Agrarausschusses des Bundesrates. Dort hatte sich eine Mehrheit der Länder auch für einen Anbau auf ÖVF samt Pflanzenschutz und Düngung ausgesprochen. Entscheidend war jedoch zum Schluss, dass sich die Bundesländer je nach Koalitionsbündnis bei der Abstimmung verhielten. Danach hat sich Baden-Württemberg, das schwarz-grün regiert wird, aber auch Niedersachsen, das rot-schwarz regiert wird, der Stimme enthalten. Die Grünen hatten sich in den letzten Tagen und Wochen vehement gegen die Erlaubnis aus Brüssel, 2022 die ÖVF für den Anbau zu nutzen, gewehrt. Aber auch in Niedersachsen hat sich die SPD im Sinne der Ampel im Bund verhalten. Zuvor hatte der CDU-Agrarminister von Baden-Württemberg Peter Hauk in einer Rede im Bundesrat noch für den Anbau ausgesprochen. „Es ist verantwortungslos diesem Antrag zuzustimmen“, sagte er. Die Welt stehe vor einer Hungerkrise, deshalb müssten alle Reserven mobilisiert werden, so Hauk weiter. Er bedauere daher, dass selbst seine Landesregierung nicht zu einem Votum für einen Anbau auf ÖVF habe durchringen können und sich daher der Stimme enthalten werde, sagte er im Bundesrat.

Die Parlamentarische Staatssekretärin aus dem BMEL, Manuela Rottmann (Grüne) hingegen verteidigte den Beschluss. Sie erneuerte die seit Tagen vorgebrachte BMEL-Linie, dass der Schaden mit der ÖVF Freigabe für den Anbau größer wäre als der Nutzen. Das maximale Produktionspotenzial der ÖVF läge nur bei 0,6 bis 0,8 Mio. t Getreide, so Rottmann. Sie zog den Vergleich, dass es 2019 bei der Dürre in Deutschland einen Rückgang von 6 Mio. t Getreide gegeben habe. „Ein Umpflügen von Brachflächen setzt zusätzliches CO2 frei, das die Klimakrise verschärft, die ohnehin die Lebensmittelversorgung bedroht“, sagte Rottmann. Eine Verschiebung des Kampfes gegen die Klima- und Artenkrise könne nicht die Lösung sein, sie bedrohe weltweit die Versorgung mit Lebensmitteln ohnehin, so Rottmann. Das BMEL würde allerdings an weiteren anderen Maßnahmen zur Linderung der Preiskrise, die der Ukraine Krieg befeuert, arbeiten. Am Freitagmorgen hat parallel zur Bundesratssitzung auch der Bundestag über das Thema Ukrainehilfe und Nahrungsmittelversorgung debattiert. Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, der die Freigabe der ökologischen Vorrangflächen 2022 für den Anbau mit Düngung und Pflanzenschutz und eine Verschiebung der GAP-Reform von 2023 auf 2024 sowie die Aufhebung der 4% Stilllegung der Ackerflächen ab 2023 verlangte, wurde allerdings nicht zur Abstimmung gestellt, sondern zu weiteren Beratungen in die Bundestagsausschüsse überwiesen. „In Krisenzeiten müssen vorübergehend neue Prioritäten gesetzt werden. Das heißt: Jetzt ist nicht die Zeit für weniger Anbau, sondern für eine Ausweitung der Produktion“, hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Steffen Bilger den Antrag begründet.