Monat: Januar 2023

Viele Schweinehalter geben auf: Das Drama in Deutschland in Zahlen

Das war zu befürchten: Die Zahl der Schweinehalter, die die Produktion aufgeben, ist weiter außergewöhnlich hoch. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Schweine weiter stark ab.

Das zeigen die Ergebnisse der aktuellen Viehzählung vom November. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN) hatte schon vor Monaten von einer „in diesem Ausmaß noch nie dagewesenen Vielfachkrise gesprochen – und damit auf das fatale Zusammenspiel von Corona-Folgen, Afrikanischer Schweinepest, Kostenexplosion, Exportproblemen und dem immensen gesellschaftlichen Druck auf die Viehhaltung verwiesen.

Fakt ist auch, dass die Zahl der Schweine derzeit ähnlich schnell abnimmt wie die Zahl der Schweinehalter. Das kommt in „normalen Jahre“ nur sehr selten vor. Meister erfolgte der Rückgang derTierbestände langsamer als die Betriebsaufgaben, denn es geben sonst vor allem kleinere Betriebe auf. Von diesen wandern die Tiere dann rein statistisch gesehen, in größere und weiterwachsende Betriebe.

Das ist seit einiger Zeit in der von einer schweren Krise geschüttelten Schweinehaltung anders: Während von November 2021 bis November 2022 etwa 1.900 Schweinehalter aufgegeben haben, das sind gut 10 Prozent aller Betriebe, schrumpfte der Schweinebestand im gleichen Zeitraum um 2,5 Millionen Tiere oder um ebenfalls um gut 10 Prozent – also ähnlich stark.

In der Sauenhaltung läuft die Entwicklung ähnlich dramatisch ab wie bisher: Einem Rückgang der Sauhalter von 12 Prozent innerhalb eines Jahres, steht ein Abbau der Zuchtschweinebestände um 12 Prozent gegenüber.

Das die Bauern auch in anderen wichtigen schweinehaltenden Ländern reihenweise aufgeben zeigen die aktuellen Daten ebenso: So schrumpfte der Schweinebestand in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gegenüber dem der Novemberzählung vor einem Jahr sogar zweistellig um 15 Prozent und um 11 Prozent. Dramatisch war der Bestandabbau mit 12 Prozent auch in Bayern, und lag damit noch über dem Bundes-Durchschnitt.

Russland erhöht wieder Ernteprognose für Weizen

Weizen hat in der letzten Woche des alten Jahres vorsichtig zugelegt und schloss an der Euronext bei 309,25 €/t sowie an der CBoT bei 7,92 US-$/bu (272,84 €/t). Grundsätzlich bleibt das eiskalte Wetter in den US-Anbaugebieten ein diskutiertes Thema mit unterschiedlichen Meinungen über die Auswirkungen auf die Pflanzen. In Argentinien ist die von Dürre geplagte Ernte zu über 90% abgeschlossen. Die Produktionserwartungen wurden zuletzt reduziert. Laut Rosstat beträgt die russische Erntemenge in diesem Jahr 102,65 Mio t, was deutlich über der Schätzung des USDA von 91 Mio t liegt.

Mais stabilisierte sich in der letzten Woche des Jahres an der Euronext bei 295,50 €/t und an der CBoT bei 6,79 US-$/bu (250,62 €/t). Im trockenen Argentinien haben Niederschläge dazu geführt, dass die Aussaat vorangetrieben werden konnte. Der Fortschritt beträgt nun immerhin knapp zwei Drittel der erwarteten Fläche und verfehlt damit den Durchschnittswert von 78%. Nur 15% der Pflanzen werden mit gut bis sehr gut bewertet. In der Ukraine ist die Ernte zu über 75% abgeschlossen und milde Temperaturen zum Jahresbeginn könnten das Tempo erhöhen.

Die Ölsaaten konnten vor dem Jahreswechsel etwas zulegen, sodass Raps an der Euronext bei 584,25 €/t aus dem Handel ging und die CBoT-Sojabohnen schlossen bei 15,24 US-$/bu (525,01 €/t). Die Sojabohnenaussaat ist in Argentinien zu 72% abgeschlossen gegenüber 86% im Durchschnitt. Unzureichende Regenmengen könnten den weiteren Fortschritt beeinträchtigen, sodass laut Buenos Aires Grain Exchange 500.000 ha der erwarteten Fläche möglicherweise nicht bestellt werden können. Das hätte Auswirkungen auf die Erntemenge.

Die Kurse für Magermilchpulver und Butter konnten sich in der letzten Jahreswoche im alten Jahr zumindest stabilisieren und schlossen am Freitag bei 2.776 €/t bzw. 5.150 €/t. In Deutschland zeigt der Preistrend hingegen weiter abwärts, weil die Milchanlieferungsmengen in der zweiten Jahreshälfte gestiegen sind. Am Spotmarkt sind die Preise rückläufig. Die Erwartungen für den Jahresstart sind verhalten.

Deutscher -Wirtschaftspsychologe hält Öffentlichkeitsarbeit der Bauern für verbesserungswürdig

Bauern und Verbraucher kommen einfach nicht zueinander, weil jede Seite ihre Argumente für logisch und richtig hält. Die Entfremdung – auch gedanklich – ist inzwischen leider sehr groß.

Die Kritik der vergangenen Jahre von Gesellschaft und Politik an den Bauern, an ihrer Tierhaltung und ihrem Ackerbau hinterlässt Spuren. Viele fühlen sich als Klimasünder und Tierquäler abgestempelt. Der Vorwurf, sie würden sich mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit verweigern, weil das teuer ist, treibt ihnen zusätzlich die Zornesröte ins Gesicht.

Das weiß auch Jens Lönneker, Wirtschaftspsychologe des Kölner Rheingold Salons. Der Marketingexperte berät Landwirte, wie ihre Botschaften bei den Verbrauchern besser ankommen. Laut dem Magazin Spiegel hat Lönnekers Team im Auftrag des DBV Verbraucher und Landwirte analysiert und in dem Buch „Zukunfts-Bauer“ ein Konzept entworfen, wie beide Seiten wieder zueinanderfinden können.

Der Fachmann bestätigt, dass sich Landwirtschaft und Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten voneinander entfernt hätten. Immer weniger Bürger kennen einen Bauern oder waren schon einmal auf einem Hof. Die Zahl der Mitarbeiter sank deutlich zugunsten einer Mechanisierung. „Landwirte und der Rest der Bevölkerung leben nebeneinander her. Es gibt kaum Berührungspunkte. Der beste Nährboden für Vorurteile“, sagt Lönneker.

Überrascht haben ihn Aussagen, dass Landwirte auch privat in ihrem Bekanntenkreis oft nur mit Berufskollegen zu tun hätten. So extrem habe er das bislang in keiner anderen Branche erlebt. „Sie begründen das damit, dass sie keine klassische Freizeit und keinen Urlaub haben.“

Wie groß das gegenseitige Unverständnis ist, zeigt Lönneker an einem Beispiel: Die Bauern geben ihre Feldwege für die Öffentlichkeit frei, und wenn sie selbst mit dem Traktor drüber fahren, werden sie von den Bürgern beschimpft. „Die Landwirte pflegen das Selbstbild vom Ernährer der Bevölkerung, weil sie Lebensmittel des täglichen Bedarfs produzieren. Aber in unseren Befragungen stellten wir fest, dass die Sorge um die Grundversorgung sehr gering ist. Die Botschaft verfängt nicht, weil es für die Bevölkerung eine Selbstverständlichkeit ist“, sagt der Fachmann im Spiegel-Interview.

Lönneker sieht die bisherige Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft als ungeeignet. Diese habe zu lange auf die Leistungen gesetzt, nur damit spreche man die Bürger nicht an. Notwendig sei vielmehr eine gute Geschichte und Erzählung – wie beim Mineralwasser der vulkanische Ursprung etc. „Sie müssen die Herzen gewinnen, raus zu den Verbrauchern und erklären, dass sie nicht nur Bewährtes erhalten, sondern auch innovative Ideen haben.“ Er empfiehlt, z.B. offensiver über die Rehkitzsuche per Drohnen oder den Hightech beim punktgenauen Pflanzenschutz zu berichten.

„Wir haben mit fast 300 Landwirten intensiv gesprochen. Was die am meisten empört, ist der Vorwurf, nicht verantwortungsvoll mit ihrem Grund und Boden umzugehen. Die meisten Landwirte fühlen sich einer Familientradition verpflichtet. Sie wollen nicht die sein, die das Licht ausmachen. Wenn das in der Praxis anders aussieht, dann auch, weil sie zum Teil ökonomisch zu anderen Verhaltensweisen gezwungen sind“, sagt der Forscher.

Er habe den Eindruck, dass die Landwirte wirklich sehr an dem Thema Nachhaltigkeit interessiert sind. Aber über allem kreise die Frage, wer die Kosten dafür übernimmt. Das Verrückte sei, dass alle ihr eigenes Verhalten rechtfertigen und keiner zahlen will. Diese Spirale müsse man durchbrechen.

Von Traktorendemos hält Lönneker übrigens nichts, weil die Bauern da nicht mit den Verbrauchern in Kontakt kommen, sondern in ihrer Wagenburg bleiben. Die Bauern müssten raus aus der Opferrolle, weiß auch er.

Wirklich gutes Marketing bedeute, dass man sein Handeln nach einer Zielgruppe ausrichtet. Und es sei auch das Bedürfnis der Konsumenten, auf Dauer eine nachhaltigere Produktion zu schaffen. Da könnten sich die Interessen der Landwirte und der Konsumenten treffen.

Die Konsumenten agieren teilweise verlogen. Sie kaufen meist günstig ein und verlangen von den Landwirten zugleich, dass diese nachhaltiger produzieren

In der Umfrage hätten drei Viertel der befragten Verbraucher gesagt, nur maximal 10 % mehr Geld für eine nachhaltige, umweltschonende Landwirtschaft ausgeben zu wollen. „Wenn wir da keinen Wandel hinbekommen, sehe ich keine Möglichkeit für Landwirte, in der Masse anders zu produzieren.“

Dennoch hat der Wirtschaftspsychologe Hoffnung, weil inzwischen viele Menschen einsehen, dass man nicht so weitermachen kann. Die meisten wollten an einer attraktiven Zukunft mitbauen. „Mein Eindruck ist, dass in der Gesellschaft ein Umdenken stattfindet. Und darauf müssen die Bauern aufbauen.“