Österreichsstudie widerlegt massives Insektensterben

Erste österreichweite Studie bringt überraschende Ergebnisse zu Tage. Der Einfluss von Pflanzenschutzmitteln ist möglicherweise überbewertet.

Wien Die Geschichte vom massiven Insektensterben, an dem vor allem konventionelle Landwirte durch ihre Bewirtschaftungsweise und durch Einsatz von Pflanzenschutzmitteln schuld sein sollen, muss wohl umgeschrieben werden. Diese Vermutung lässt eine jetzt veröffentlichte Studie zumindest für Österreich zu. Sogar die beauftragten Experten waren von ihren Ergebnissen überrascht.

Die wesentlichen Ergebnisse der österreichischen Studie sind: Die Artenvielfalt in der heimischen Insektenwelt blieb in den vergangenen 30 Jahren in Summe stabil, die Dichte der Insekten zeigte geringfügige Veränderungen, aber die Artenzusammensetzung änderte sich deutlich.

Vor allem die Klimaerwärmung führte zu einer neuen Artenzusammensetzung. Im Durchschnitt war nach 30 Jahren etwa ein Viertel der ursprünglich vorhandenen Arten nicht mehr nachweisbar. Diese wurden durch neue Arten wie die Lauchschrecke ersetzt. Abgenommen haben spezialisierte Arten von nährstoffarmen Standorten sowie an kältere Bedingungen angepasste Insekten. Dagegen haben die Insektenforscher vor allem mehr wärmeliebende Arten mit vergleichsweisen geringen Ansprüchen an ihre Lebensräume gezählt.

Über 20 Insektenkundlerinnen und -kundler haben Daten von 4285 Insektenarten an 309 Testflächen in ganz Österreich erhoben. So wurden Veränderungen von Insektenpopulationen in den letzten 30 Jahren analysiert – etwa von Heuschrecken, Fangschrecken, Hummeln Wanzen oder Zikaden. Laut Agrarminister Norbert Totschnig ist dies die umfangreichste Erhebung zur Entwicklung der Insektenpopulation, die es in Österreich je gegeben hat.

Bei der Zahl der auf den Flächen gefundenen Individuen zeigen sich laut Insektenforscher Thomas Zuma-Kratky bei den meisten untersuchten Insektengruppen in Summe keine signifikanten Zu- oder Abnahmen. Bei den Heuschrecken und Fangschrecken gab es österreichweit einen Rückgang der Populationsdichten mit deutlichen regionalen Unterschieden. So nahmen die Populationen in den Hochalpen zu. Auch in den Ackerbaugebieten der Tieflagen haben die Wissenschaftler ebenfalls mehr Tagfalter gefunden. „Die Ergebnisse waren vielfach auch für uns überraschend und helfen dabei, die Veränderungen in der Insektenwelt zu verstehen und gezielte effiziente Maßnahmen zu deren Unterstützung zu ergreifen,“ so Zuma-Kratky.

Grundsätzlich sah sich Totschnig mit der Studie in seiner Landwirtschaftspolitik bestärkt. Die Studie zeige, dass der Klimawandel Auswirkungen auf alle Lebensbereiche habe – auch auf die Insektenwelt. „Entscheidend für den Insektenbestand in Österreich ist, dass wir die Biodiversität, Hecken und Flure wie auch Wasserzugänge weiter erhalten – das geht nur mit unseren Bäuerinnen und Bauern“, so der ÖVP-Minister. Genau diese Maßnahmen werten die Insektenforscher in ihrer Studie als wesentlich, um die Artenvielfalt auf den Agrarflächen zu steigern, oder zumindest zu erhalten. Extensive Bewirtschaftung von Flächen ist laut Zuma-Kratky in der Regel besser als eine Stilllegung oder Intensivierung. „Ungepflegte Naturschutzflächen bieten Insekten zudem oft weniger Lebensräume als extensive bewirtschaftete Flächen“, fasste der Forscher zusammen.

Das Landwirtschaftsministerium arbeitet zudem am Forschungsprojekt „Insektenschonendes Mähen“. Dabei wird untersucht, wie sich unterschiedliche Mähtechniken auf die Insekten auswirken. Ziel ist es, den Umstieg auf insektenschonende Technik zu forcieren. Gleichzeitig ist sich Totschnig sicher, dass die Biodiversitätsflächen mit der neuen Agrarreform von derzeit 150.000 ha auf gut 230.000 ha ansteigen werden.

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