Vom Rest- zum Wertstoff: Potenziale der Bioökonomie​

Zunehmend in den Fokus rücken auch Reststoffe aus der Landwirtschaft, beispielsweise Getreidestroh, Waldrestholz oder Gülle. Die Vorteile der Verwendung solcher Stoffe liegen darin, dass diese derzeit vielfach zu günstigen Preisen verfügbar sind und nicht in Konkurrenz zu Nahrungs- oder Futtermitteln stehen. Auch in der Weiterverarbeitung von Lebensmitteln entstehen Reststoffe wie etwa Molke, Rapspresskuchen, Algen-Restbiomasse oder Reststoffe aus der Stärkeproduktion. Auch Grüngut, Speiseöle und Fette, Lebensmittelabfälle, Altholz oder Rinde fallen in den Bereich.

Für die energetische und stoffliche Nutzung stehen laut biooekonomie.de zwischen 20 % und 30 % des insgesamt anfallenden Strohs zur Verfügung. Die Menge werde bislang aber nicht in diesem Umfang abgerufen. Neben der Nutzung in der Landwirtschaft eigne sich Stroh in der Verpackungs- und Baustoffindustrie, potenziell sei auch der Einsatz in Biogasanlagen oder für die Wärmegewinnung möglich. Stroh könne aber auch Ausgangsstoff für Plattformchemikalien in der Chemie- und Pharmaindustrie sein oder zu Kraftstoffen verarbeitet werden.

Beispiele gibt es in der Praxis bereits einige: So stellt der Spezialchemie-Konzern Clariant mit dem sogenannten sunliquid-Verfahren aus Stroh Cellulose-Ethanol her. In einer unter anderem vom Bund geförderten Anlage in Straubing sowie in einer kommerziellen Bioraffinerie in Rumänien wird die Lignocellulose aus dem Stroh in Zuckermoleküle zerlegt und dann zu Ethanol vergoren. Auf Stroh basiert ebenfalls der Zellstoff, den die Firma Essity in Mannheim fertigt. Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Unternehmen BluCon Biotech gewinnt aus Stroh Milchsäure.

  • Das Hamburger Start-up Bio-Lutions verwendet Weizen-, Rapsstroh, Schilf oder Gemüsestängel als Faserquelle, um über ein mechanisches Verfahren Verpackungen daraus herzustellen. Im brandenburgischen Schwedt entstehe derzeit eine Produktionsstätte.
  • Das Unternehmen Landpack bietet Isolierverpackungen aus Stroh an. Diese eignen sich zum Beispiel für den Versand gekühlter Waren.
  • Grillkohle aus Maisspindeln: Das Start-up Kolbenglut vertreibt nachhaltige Grillkohle. Gründer ist ein Landwirt aus Bayern, der nach einer Nutzungsmöglichkeit für die Spindeln suchte.
  • Vom Feld wieder zurück auf den Acker geht es beim Projekt Ashes. Die Bagasse-Asche, ein Nebenprodukt der Ethanolherstellung aus Zuckerrohr, wird als Rohstoff verwendet, um Dünger herzustellen.
  • Ebenfalls Düngemittel entwickelt das Projekt Abc4Soil. Es verarbeitet mit Nährstoffen aus Gülle angereicherte Biokohle. Die Kohle entsteht dabei mittels thermochemischer Spaltung (Pyrolyse) von Agrarrückständen.
  • Im Forstsektor dreht sich bei der Reststoffnutzung vieles um Lignin, den Hauptbestandteil von Holz. Die Nutzungsmöglichkeiten reichen von Carbonfasern auf Ligninbasis bis hin zu Spezialchemikalien.
  • Aus Abfall wird Futtermittel: Im Projekt InProSol wird die Schwarze Soldatenfliege mit organischen Reststoffen gefüttert. Die Larven des Insekts sollen dann als proteinreiches Fischfutter dienen.
  • In ChicOpt planen die Forscher, aus Rüben und Wurzeln Chicorée und Radicchio Plattformchemikalien zu gewinnen, aus denen Kunststoffe entwickelt werden sollen.